Leben am Gestüt und Orientieren im Karst

Auch heuer führte uns das TIFOL Oster Trainingslager nach Slowenien. Diesmal an einen ganz besonderen Ort. Nach Lipica, zum weltberühmten Lipizzaner Gestüt, in das neu renovierte Hotel MAESTOSO, das nach einer klassischen Linie der Lippizanerhengste benannt wurde. Gleich am Eingang des riesigen Anwesens fühlten wir uns in eine prickelnde Welt der Pferde versetzt.

Das zarte Grün der weiten Böden mit den vielen einzelnstehenden Bäumen, umarmt von weißen Holzzäunen, strahlt eine wohltuende Ruhe aus. Diese Atmosphäre setzt sich im Hotel fort. Gäste des Hotels Maestoso leben in einem nachgebildeten Pferdestall in privaten Kojen, auf hohen Heubetten, neben verschiebbarer Stalltür und schirmlosen Glühbirnenbeleuchtung, mit schlauer Regendusche in der Nasszelle und einem einladenden „Futter“buffet in der Hotellobby. Eine große Strohballenecke dort, mit vielen kuscheligen Pölstern, lud speziell unsere Fohlen nach der Fütterung zum Turteln und Spielen ein.

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Wir verbrachten total unbeschwerte Tage auf diesem Anwesen. Genossen dieses Ambiente in der Früh zum Stärken, zu Mittag zum Erholen nach einem fordernden Training, am späten Nachmittag zur Körperpflege und Durchführung erfolgreicher Zeckenoperationen, am Abend zum gegenseitigen Austausch und besseren Kennenlernen, zum Analysieren der Trainingsläufe, zum Planen und Besprechen bevorstehender Großevents, zum gemeinsamen Spielen und in der Nacht zum Fallen in einen tiefen Pferdeschlaf. Es ist noch nie vorgekommen, dass HG und Karin morgens verschliefen. Erst bei der Tasse Tee im Frühstücksraum und einem träumerischen Blick durch die Glasfront sah Karin  die Herde im Bus verschwinden. Moment mal, da stimmt etwas nicht!

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Ja, auch das Orientieren im Karst ist eine Besonderheit, für viele sogar ein Leckerbissen, den man nicht alle Tage bekommt. Einen Vorgeschmack erhielten wir gleich beim ersten Trainingsgebiet, das wir noch am Anreisetag vom Hotel aus zu Fuß erreichten. Diejenigen, die sich schon öfters durch dolinenreiches Karstgebiet gekämpft hatten, wussten vom Geheimnis, hier erfolgreich sein zu können: DEN KARTENKONTAKT NIEMALS VERLIEREN, SONST BIST DU VERLOREN!

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Unsere Fohlen begaben sich zu zweit auf den ersten Ausritt. Einige noch zu ungestüm, häufig stöhnend „Äh?!?“ Kein Wunder: Wo befand sich die Karte die meiste Zeit? Irgendwo weit unten, neben dem Oberschenkel, so als ob die Augen sich in den Knien befänden. Oder habt ihr alle ein fotografisches Gedächtnis? WOW! HG und ich, wir wären beeindruckt! Aber lange Stehzeiten, hervorgerufen durch erneutes „Hochfahren“ der Karte, zeigten uns eindrücklich, an was wir die nächsten Tage feilen müssen.

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Die insgesamt 6 Trainingseinheiten waren sehr abwechslungsreich, mit täglich anderen Herausforderungen. Speziell das 2. Training führte zu einem AHA Erlebnis. Auf der Karte befanden sich lediglich zwei Informationen, nur zwei Farben, braun und schwarz, also Geländeformen, Wege, Steinmauern, Felswände und Steine. Bei den fortgeschrittenen Bahnen gab es überhaupt nur die Geländedetails. Wir erlebten, dass das Orientieren mit nur diesen Infos eigentlich leichter fällt, als sich mit einer Hülle von Signaturen und Farben auseinandersetzen zu müssen. Es zwingt uns, uns auf das Wesentlich und wirklich Wichtige konzentrieren zu lernen.

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Der flotte Sprint durch Sezana am Nachmittag kurbelte die Beine, die sich im Karstgelände nicht so schnell bewegen dürfen, ordentlich an. Hannes Brecka erzeugte mit dem spielerischen Aufwärmen der Muskulatur und Gehirnzellen eine grandiose Stimmung und beste Voraussetzungen für einen powervollen Wetz OL bei allerschönstem Wetter.

Auf der Heimfahrt prasselten jedoch urplötzlich unwahrscheinlich dicke Regentropfen, mitunter sogar Schneefetzen an die Windschutzscheibe des Busses. Aber genauso schnell, wie sie auftauchten, verschwanden sie wieder. Und in der Nacht auf Montag verscheuchte ein starker Wind sämtliche Wolken am Himmel. Ein herrlich blauer Himmel begrüßte uns am Morgen. Doch der Wind tobte noch immer und war leider eisig kalt. Unsere Herde hielt sich in einer windgeschützten Oase auf, in der wir von Michael Kuttner gut aufgewärmt und auf unsere Aufgabe eingestimmt werden konnten. Schmetterling mit fünf Flügeln stand auf dem Programm. Nur wenige schafften alle Flügel. Das Gelände war zwar nicht so reichlich mit Babydolinen und richtigen Ungetüm Dolinen bestückt, aber ein Fleckerlteppich aus offenen Gebieten und Waldgebieten mit einer Unmenge in allen Richtungen verlaufenden Steinmauern und kratziges Gestrüpp machten es auch nicht gerade einfach.

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Das Training am Nachmittag führte uns zurück in die Dolinen. Ein Viele Posten OL zwang uns erneut ständig Kartenkontakt zu halten. Und damit das Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl vor dem Lauf noch mal mächtig gestärkt wird, wir uns in den tiefen Löchern nicht verlieren, half uns Barbara Gindu Ferrari, positive Energien, die uns niemals trennen, mit in den Wald zu nehmen.

Der abschließende Lauf mit Massenstart am Dienstagvormittag war ein regelrechter Testlauf. Bin ich bereits ein Meister dieses Karstgeländes, oder brauche ich noch mehr Übung? Das Gelände war sehr schwierig, ein Mix aus allen vorigen Trainingsgebieten, der Wind kalt, die kratzigen, stachligen Pflanzengesellen noch aggressiver, die Massenstartatmosphäre auch nicht beruhigend einwirkend. Während die Jugend ihre Bahn durchaus schaffte, räumten doch einige ältere Jugendliche auf der mittleren Bahn und einige Erwachsene speziell auf der langen Bahn ein „Schach Matt“ ein.

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Zur allgemeinen Belustigung wirbelten plötzlich Euroscheine in der Gegend herum. Schnell, schnell… einfangen! Woher kamen sie denn? Die Detektive fanden bald die Ursache. Ja, ja, Hermann, im slowenischen Wind hängt man keine Jacke mit offenen Taschen und losen Geldscheinen an den Busch!

Alles verlief diese Tage perfekt und nach Plan. Unaufgeregt, lehrreich, tief bewegend und teambildend. Schön, dass wir so eine bunt zusammengewürfelte Gruppe waren von sechs Jahren, bis über siebzig, von richtigen Könnern, wie Iryna, bis zu jungen Fohlen, die die ersten OL Schritte machten. Wir kommen alle mit Begeisterung heim, dem Gefühl, gestärkt zu sein durch sehr wertvolle Erlebnisse. Vielen Dank dafür an Wolfgang Madl, der diese Lippizanertage für die Mitglieder der Tiroler Vereine organisierte.

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Bericht: Karin Lugsteiner